Verwaltungsgebäude Rathaus und Schiefes Haus

Gedenken an die Opfer des Holocaust


Die Stadt Idstein trauert um die Opfer des Holocaust. Als sichtbares Zeichen dieser Trauer beteiligt sich die Hochschulstadt erstmals an der weltweiten Kampagne „#WeRemember“, zu der seit 2017 der Jüdische Weltkongress gemeinsam mit der UNESCO jedes Jahr zum 27. Januar aufruft – dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Ab dem heutigen Montag, 24. Januar 2022, bis Donnerstag, 27. Januar 2022, wird deshalb bei Einbruch der Dunkelheit der Schriftzug „#WeRemember“ auf das Idsteiner Rathaus projiziert und in großen Lettern dort zu lesen sein.

Als weitere Geste und stellvertretend für alle im Holocaust gedemütigten, vertriebenen oder ermordeten Menschen wird die Stadt außerdem am Donnerstag, 27. Januar 2021, an den Stolpersteinen in Idstein weiße Rosen niederlegen – coronabedingt ohne Öffentlichkeit. Insgesamt konnte in den vergangenen Jahren die Geschichte elf jüdischer ehemaliger Idsteiner aufgearbeitet werden, die im Nationalsozialismus aus der Stadt vertrieben und später ermordet wurden oder die auf der Flucht Suizid begingen, um ihren Mördern zu entgehen. Für diese Menschen wurden in Idstein vor vier Häusern bereits Stolpersteine verlegt. Bürgermeister Christian Herfurth: „Die Schicksale der Familien Kahn, Grünebaum, Löwenstein und Blum sind uns dank der Stolpersteinrecherchen, an denen viele Schülerinnen und Schüler beteiligt waren, sehr präsent. Ihre Schicksale sollen auch künftig nicht vergessen werden, wir haben sie nicht mit der Verlegung der Stolpersteine abgearbeitet und ad acta gelegt. Immer wieder wollen wir an diese Schicksale erinnern.“

Die Idsteiner Familie Julius und Erna Kahn verließen mit ihrer neunjährigen Tochter Bertel Lore Idstein, nachdem am Morgen des 10. November 1938 ihr Haus in der Rodergasse geplündert und das Mobiliar zerstört wurde. Sie lebten einige Zeit in einem sogenannten „Judenhaus“ in Wiesbaden, bevor sie nach Sobibor und Majdanek deportiert und dort schließlich ermordet wurden. Die vierköpfige Familie Grünebaum flüchtete nach dem Pogrom in Idstein zu einem Onkel nach Frankfurt. Die Hoffnung auf eine Ausreise in die USA erfüllte sich nicht: Zunächst beging der Vater Suizid, die beiden Töchter und die zur Familie gehörende Tante vergifteten sich einen Tag vor ihrer angekündigten Deportation. Der Idsteiner Jonas Blum war einer der letzten Juden, der Idstein verließ. Völlig verarmt lebte er zur Untermiete bei einer Idsteiner Familie. Wahrscheinlich gelangte er über ein Frankfurter Altenheim oder Krankenhaus in die Anstalt Bendorf-Sayn, ab 1940 Sammelstation für alte und kranke jüdische Patienten der Region. Von dort aus wurde er in das Ghetto Izbica deportiert, dann verliert sich seine Spur.

Die ehemals am Veitenmühlweg wohnende Familie Löwenstein flüchtete nach dem Zwangsverkauf ihres Hauses in die Niederlande. Während die Eltern im niederländischen Aalten krank und erschöpft starben, hoffte Tochter Ruth als Mitarbeiterin der Anstalt Het Apeldoornsche Bosch zu überleben. Gemeinsam mit 1.200 Patienten wurde die 19jährige jedoch ins KZ Auschwitz deportiert, wo sie wie alle Frauen und Männer des Transports noch am Tag ihrer Ankunft am 25. Januar 1943 ermordet wurde.

Die Befreiung des KZ Auschwitz fast genau zwei Jahre später, am 27. Januar 1945, durch die Rote Armee kam für Ruth zu spät. Der Jahrestag der Befreiung von Auschwitz ist Anlass für den Holocaust-Gedenktag. „Die bisher verlegten Stolpersteine sind uns Mahnung und Verpflichtung. Das Schicksal dieser Menschen ist nicht zu übersehen, beim Spaziergang durch unsere Stadt fallen die Steine auf. Wir möchten weitere Schicksale ehemaliger jüdischer Bewohner Idsteins recherchieren und gegebenenfalls auch Steine mit dem Künstler Gunter Demnig verlegen. Das Interesse ist groß, wir haben schon viele Angebote von Idsteinerinnen und Idsteiner bekommen, die bereit sind, einen Stein zu finanzieren. Mit der intensiven Biografie-Arbeit geben wir den Opfern etwas Würde zurück. Schön wäre es, wenn sich auch wieder Schülergruppen finden, um das Vorhaben zu unterstützen. Nur wer die Vergangenheit kennt, kann verantwortungsvoll Zukunft gestalten“, so Bürgermeister Herfurth.